01. Jänner 2012
bis 31. Dezember 2012
Ausstellung:
Markus Bacher, Sarah Decristoforo, Romana Fiechtner, Ursula Groser, Rosmarie Lukasser, Andrea Lüth, Bernd Oppl, Christoph Raitmayr, David Rych, Gregor Sailer
- Closed Cities
Mit dem umfangreichen Fotoprojekt „Closed Cities“ erforscht Gregor Sailer das Phänomen geschlossener, von der Außenwelt hermetisch abgeriegelter Städte, wie sie an vielen Orten der Erde unter verschiedenen Bedingungen seit dem frühen 20. Jahrhundert entstanden sind. Dabei nähert er sich den so genannten Rohstoff-Städten mit demselben Blick wie Flüchtlingslagern oder einer Stadt, die sich Wohlhabende aus Sicherheitsgründen errichten ließen. Gemeinsam ist diesen künstlichen urbanen Ansiedlungen, dass sie weitab jeder Zivilisation liegen, von unwirtlichster Natur umgeben sind und dadurch meist nur mit Hilfe von außen lebensfähig sind oder wie bei „Nordelta“, der noblen „Gated New Town“ in Argentinien, von hohen Zäunen umschlossen werden.
Gregor Sailer hat sechs solch „geheime“ Städte an verschiedenen Orten der Erde unter großem persönlichem Aufwand bereist. Der umfangreichen Recherchearbeit im Vorfeld stand ein bürokratischer Dschungel an Genehmigungsverfahren zur Seite. In seinem Exposé zu „Closed Cities“ listet er genauestens auf, wann die Städte entstanden sind, welchem Zweck sie dienen, welch extreme Temperaturen dort herrschen und wie viele Einwohner sich in ihnen befinden. Mit der analogen Großbildkamera entstehen nüchterne, dokumentarische Bestandsaufnahmen. Vorder-, Mittel- und Hintergrund sind plastisch herausgearbeitet und zeigen eine Fülle an Details.
Seine Aufnahmen sind stets menschenleer, wodurch sie umso deutlicher die Tristesse der Orte zu zeigen vermögen, die sich teilweise im Verfall befinden wie die bereits verlassene chilenische Kupferstadt „Chuquicamata“, die von den Abräumhalden allmählich geschluckt wird. Doch auch die anderen Städte, die von Konzernen errichtet wurden und von ihnen unterhalten werden, wie „Mirny“, die sibirische Diamantenstadt, die Ölstadt „Neft Daslari“ in Azerbaidschan oder die Gasstadt „Ras Laffan“ in Qatar im Mittleren Osten, wirken wie Geisterstädte. Gregor Sailer gelingt es in all diesen Aufnahmen, den riesigen Diamantenkrater, die Ölförderanlagen im Meer oder das größte Gasfeld der Erde in Bezug zu verwüsteter Natur und zugleich in Bezug zum Menschen zu stellen. Profitgier und die Lebensrealität der Menschen, die dieser dienlich sind, arbeitet er in ihrer Diskrepanz heraus. Dabei nimmt er nicht nur die desolat und provisorisch anmutenden Wohnanlagen ins Visier, sondern auch Denkmäler, Sport- und Versammlungsstätten. Aufnahmen bei hellem Tageslicht stehen stimmungsvolle, ja atmosphärische Nachtansichten zur Seite.
Das menschliche Drama erreicht und berührt uns in Sailers Fotografien durch das, was wir nicht sehen, nur erahnen. Mit „Closed Cities“ greift er ein überaus brisantes Thema auf, das von der Weltöffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen wird oder in Vergessenheit geraten ist. In verblüffender Weise setzt er die insgesamt 165.000 Einwohner zählenden Flüchtlingsstädte „Dakhla, Escuela 27 Febrero, Rabouni, Smara“ in der Westsahara in Analogien zu anderen geschlossenen Städten, und seien sie freiwillig gewählt wie die 20.000 Einwohner zählende Stadt „Nordelta“, in der sich die Gesellschaft absichtlich von der Umwelt abschottet. Gesellschaftliche Themen wie Eingrenzung, Ausgrenzung, Macht, Kontrolle, Sicherheit und Angst, Globalisierung und Ausbeutung der Ressourcen um jeden Preis bannt er in stille, bestechende Fotografien.
Beate Ermacora
Direktorin Galerie im Taxispalais Innsbruck