RLB Kunstbrücke Innsbruck
Die Ausstellung zeigt zwei Positionen der konzeptionellen Abstraktion, die scheinbar ähnlich Ansätze verfolgen. Gemeinsam ist ihnen eine formale Strenge, die Konzentration auf Schwarz, Weiß und Grautönen sowie die Auseinandersetzung mit Fragen des Sehens und der Raumerfahrung. Für beide spielen außerdem Installationen und ein erweiterter Skulpturenbegriff eine wesentliche Rolle. Die jeweilige Formensprache und inhaltliche Herangehensweise ist jedoch unterschiedlich.
Ohne Titel, 2015
Holz, Kunstharzlack,
120x120x180 cm
Ohne Titel, 2015
Bleistift, Pastellkreide, Zeichenstift auf Papier,
36x48 cm
Ohne Titel, 2013
Papier, Epoxy,
300x320x80 cm
Ohne Titel, 2015
Acryl auf Baumwolle,
140x160 cm
Esther Stocker (* 1974 in Schlanders – lebt in Wien) entwickelt in ihrer Malerei geometrische Strukturen aus dem Gegensatz von Ordnung und Unordnung. Aus der Fläche heraus eröffnet sie Zwischen-Räume, die den komplexen Vorgang unserer visuellen Wahrnehmung reflektieren. „Mein Ausgangspunkt ist die Abweichung, nicht die Regel. Dann lande ich aber schon bei dem Paradox, dass ich für die Beschreibung der Abweichung die Regel brauche. Das reguläre System, die Abfolge, die leicht vorhersehbar ist. Und dann der Ausriss. Eigentlich suche ich nach Abweichungen, die so simpel sind, dass sie unerwartet daherkommen. So naheliegend, dass man gar nicht sofort daran denkt“, so Esther Stocker.
Für die junge Künstlerin Anna-Maria Bogner (* 1984 in Schwaz – lebt in Wien) hingegen stehen das Ausloten des abstrakten Raumbegriffes und dessen Grenzen im Zentrum. In ihren filigranen Zeichnungen konstruiert sie virtuelle Räume, die sich in ihren Skulpturen und Installationen als dreidimensionale Liniengebilde entfalten. „Raum umfasst weit mehr als seine physischen Grenzen. Er entsteht für mich nicht allein innerhalb der dreidimensionalen „Umwelt“, die uns umgibt. Für mich entsteht Raum in unserer Kommunikation und Interaktion jeden Tag aufs Neue. Meine Arbeiten versuchen Fragen zu stellen. Die Spannung liegt darin, den Raumbegriff nicht festzusetzen, sondern immer neu zu hinterfragen bzw. hinterfragen zu lassen“, so Anna-Maria Bogner.
Dominieren bei Bogner komplexe Linienkonstruktionen, die als geistiges Konzentrat um mögliche Definitionen von Raum kreisen, so steht bei Stocker ein durchdachtes geometrisches Formenspiel, das die Struktur der Disharmonie ergründen will, im Vordergrund. Ein wichtiger Ausgangspunkt für beide Künstlerinnen ist der Akt des Sehens an sich. Unsere Sehgewohnheiten zu verunsichern und damit vorgegebene Denkkategorien zu unterwandern ist ein wesentliches Anliegen beider Künstlerinnen. Durch Abstrahierung setzen sie die Imaginationskraft des Betrachters in Gang und formulieren in ihren Werken ein höchst spannendes Angebot, in Welten zwischen Logik und Unlogik einzutauchen.
Zur Ausstellung erscheint der gleichnamige Katalog mit einem Textbeitrag von Silvia Höller und Gesprächen mit Anna-Maria Bogner und Esther Stocker, geführt von Silvia Höller (72 Seiten).