01. Jänner 2008
bis 31. Dezember 2008
Ausstellung:
Ursula Groser, Florian Hafele, Christoph Hinterhuber, Ina Hsu, Daniel Nikolaus Kocher, Andrea Lüth, Ursula Mairamhof, Peter Niedertscheider, David Rych, Lukas Schaller, Annette Sonnewend, Herwig Weiser
Christoph Hinterhubers Popnachrichten
Die „Tafelbilder“ von Christoph Hinterhuber scheinen eher nach einem Strichcodesystem zu funktionieren, dessen Schlüssel und Programmierung wir nicht kennen. Natürlich handelt es sich um keinen Strichcode, weil Hinterhuber immer die Aleatorik, die Kontingenz, ja, sogar ein enigmatisches Moment dem wissenschaftlich oder rationalistisch Determinierten vorzieht, gerade um jegliche Axiomatik zu vermeiden.
Er rekurriert auf das Medium des traditionellen Tafelbildes und hält hier eine bestimmte Ordnung ein, die keinen tieferen Sinn verfolgt als jenen, Gleichförmigkeit bei gleichzeitiger Abwandlung zu erreichen. Die 12 Bilder messen 60 x 50 cm, sind 4 cm tief und die pinkfarbenen, weißen und schwarzen Streifen sind jeweils 4 cm breit. Für diese Größe sind sie relativ kompakt, d.h. erhaben, sodass sie einen nahezu objekthaften, schachtelartigen Charakter annehmen. Damit wird von der Oberfläche abgelenkt und in die Tiefe gedacht, in ein Volumen hinein. Es ist ähnlich wie bei seinen Schriftbändern, z.B. SUP POP / PORN TECH: ein Dahinterliegendes, Subliminales kommt an die Oberfläche, sichtbar oder spürbar, aber dennoch verborgen. Die „penetrant“ auf Oberfläche verweisende Oberfläche wird doch körperhaft und viel-schichtig.
... POING POING GLIB BLIBS DEATH TRIPS BLURB GULPS POING POING SUPER STRUCTURE TEKK KIK FLESH FLASHES …
Verwendete Hinterhuber bisher vor allem erfundene Piktogramme, die er mit Slogans kombinierte, reduzieren sich die Botschaften nun auf reine Schriftzüge und die Vieldeutigkeit der Messages. Das real existierende Weltordnungssystem von Logos und deren Potenz wird durch ein eigenes pataphysisches Universum von dekonstruierenden Anti-Lehrsätzen sabotiert. Ein auf Effizienz ausgerichtetes System der Brands und sprachlichen Überwältigungsstrategien via medial repräsentiertem Bild und Text in entsprechend bunten Farben wird gestört von mehrdeutig konnotierbaren, kodierten, oft zusammengesetzten Wörtern in schrill leuchtenden Neon- und Nicht-Farben wie Schwarz und Weiß, die u.a. subkulturellen Milieus der Pop-, Club-, Techno- oder Gegenkultur entstammen und auf Diskurse und Philosopheme eben dieser Kulturen reflektieren.
Urban Slang, Neologismen, Wortdrippings ergeben eine Art Popnachrichten im Rhythmus möglicher Slogans, die als neuer Trend oder neues Glaubenssystem auf den Billboards der Megalopolis blinken, hier allerdings implodiert das System, weil es Wörter sind, die mit einem Zufallsgenerator generiert zu sein scheinen und damit Bedeutung unterminieren, neu generieren, auslöschen. Es ist ein phonetisches Rauschen, ein Rap von Wörtern, die Geräusch werden, dazwischen ein Aufblitzen von Bekanntem: SEX SWITCH oder THICK DICKS. Hinterhuber verwendet die strukturalistische Technik des Palimpsests, das den einen Autor zugunsten der Multivalenz einer Vielzahl von Quellen in der Überblendtechnik von altem und neuen Text quasi favorisiert. Hier taucht alles in einem kontinuierlichen Wort-FLOW auf und unter, überlagert sich und produziert eine psychedelische Gehirnwäsche.
Daneben führt Hinterhuber alles wieder ein, was die Konzeptkunst der 60er Jahre so vehement aus der Kunst verbannt hatte: den Keilrahmen, die Leinwand, die Galerie/das Museum, den Pinselstrich und damit das Gestische, Körperhafte, allerdings beansprucht er für sich nicht die Suche nach dem „Reinen“, dem „Weißen“, dem „Absoluten“ einer analytischen Malerei oder eines abstrakten Expressionismus. Der Gestus ist anti-genialisch, anti-spirituell und erhebt keinen Wahrheitsanspruch. Seine Bezugspunkte bewegen sich eher entlang der Schnittstellen eines theosophischen Neoplastizismus, der Op-Art und Neo Geo bis zum Aktionismus, er streift vieles und verwirft das meiste in skeptizistischer Manier. Es geht ihm wie Buren nicht darum, die traditionellen Bildmittel zu verteufeln, damit sie beim Hintertürchen wieder hereinkommen, die Grenzen der Malerei, der Kunst zu verschleiern, sondern sie in einem Prozess der Provokation zu entschleiern. „Die materielle Anwesenheit dieser Mittel (Keilrahmen, Leinwand, Farbe ...) macht umso deutlicher, dass ihre ursprüngliche Bedeutung heute noch immer in den Ersatzmitteln, die an ihre Stelle getreten sind, vorhanden sind.“
Zur Malerei gehören auch Gesten wie jene des sich mit Farbe Überschüttens. Hat Lynda Benglis in kritischer Auseinandersetzung mit Jackson Pollocks Action Paintings ihre Latex Paintings aus Kübeln „geschüttet“, nicht bloß mit dem Pinsel „gedrippt“ und dabei ungehörige, schrille Farben, Latex als Material und den Boden als Leinwand verwendet, so benutzt Christoph Hinterhuber in einer überspitzten Geste sich selbst als weiße Leinwand, über die er seine Ana-Farbe PINK schüttet. Die konstruktivistischen Tafelbilder in letztlich genuin illusionistischer Tradition, wie wir von Buren wissen und wie von Hinterhuber gezielt eingesetzt, lösen sich auf in einem performativen Gestus der aktionistischen Persiflage, die das Moment der ernsthaften Investigation verbliebener Bildmittel gegen ein selbstreflexives und intendiertes Scheitern in Anschlag bringt.
Sabine Folie
Direktorin Generali Foundation, Wien