Kunstpreis 2014

01. Jänner 2014 bis 31. Dezember 2014

Ausstellung:
Maria Bichler, Anna-Maria Bogner, Heidi Holleis, Michael Kargl, Matthias Krinzinger, David Rych, Michael Strasser, Esther Strauß, Johanna Tinzl, Nicole Weniger und Hannes Zebedin.

  • 92.000 € (Große Kinigat), 2011 Fotografie, 80 x 70 cm
  • Another Hole in The Brick, 2014 Mischtechnik
  • Wie auch immer, 2011 Bronzeguss, 23 x 12 x 32 cm

Matthias Krinzinger

 – Blaupausen konstruktiver Melancholie

„Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind; eine Gladiatorengeste; ein Spiel mit den schäbigen Überbleibseln; eine Hinrichtung der posierten Moralität und Fülle.“ Hugo Ball, 1916

Kontrovers proklamierte der Dadaismus in den 10er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Revolte als Kunstform, die bewusst zu einer Abrechnung mit den damaligen Wertesystemen aufrief. Auch wenn der aus Tirol stammende und in Wien lebende Künstler Matthias Krinzinger ad hoc nicht in der aktionistischen Tradition des Dadas steht, bedient er sich der subtilen Unterwanderung sublimer Wertvorstellungen. Der Künstler entscheidet nicht über Tod oder Leben, wenn der Daumen seiner Bronzeskulptur Wie auch immer (2011) nach oben wie nach unten zeigt, sondern er entspricht dem allgegenwärtigen Narrenspiel endloser Bewertungs-Schleifen, die so manifest wie obsolet sind. Der einst lebensentscheidenden Geste folgt die Entleerung des signifikanten Codes als selbstreferenzielle Systemkritik, die sich, wie er selbst sagt, buchstäblich in eine konstruktive Melancholie bündelt, deren Dissens wie Unordnung schon Pragmatik vorangegangener Avantgardebewegungen war.

Aus der Irritation mit alltäglichen Fundstücken interagiert der Künstler mit dem Betrachter, wie z. B. anhand der Nachrichtenmeldung aus dem Sommer 2011, die schon ohne Zutun des Künstlers Provokationen und Unmut hervorrief. So bot die heimische Bundesimmobiliengesellschaft (BIC) den 2690 Meter hohen Osttiroler Berg „Große Kinigat“ für 92.000 Euro zum Verkauf an. Das Medienecho antwortet mit Protest, worauf das Unterfangen eingestellt wurde, aber die Frage offenblieb, wem nun wirklich die Berge gehören? Krinzinger kommentierte diesen Akt der Privatisierung heimatlichen Identifikationsraums mit einer Fotoansicht der Bergspitze, an deren Fuß ein Fels mit rotem Punkt zu erkennen ist. Das Narrenspiel wird zum Schildbürgerakt bizarrer wirtschaftspolitischer Verteilungsmechanismen, die Krinzinger ebenso ironisch in das Betriebssystem Kunst überführt. Der rote Punkt markiert im klassischen Galeriegeschäft den Verkauf eines Kunstwerkes, aber erklärt nicht die Höhe seines Verkaufspreises. Damit überhöht er die Ironie der Verkaufbarkeit eines nicht definierten Allgemeingutes wie das der Bergwelt, wie auch die Kunst grundsätzlich nationales Kulturgut ist.

Mit seinem Konzept der konstruktiven Melancholie hinterfragt Krinzinger die irrige Überzeugung, einen ideellen Wert ökonomisch bemessen zu können. Die Arbeit Another hole in the brick (2013) vertieft diese Fragestellung und zeigt einen gelochten und gerahmten 10-Euro-Schein. Den Schein selbst vergleicht Krinzinger wegen seiner rötlichen Färbung und seines Formats mit einem Ziegelstein und setzt deswegen das zur Durchsicht einladende Loch auf der Höhe des gemauerten Torbogens an. Kontext der Arbeit ist nicht, die Kritik an den politischen Auswirkungen der gegenwärtigen Bank- und Finanzkrise auf die Gesamtbevölkerung oder den Geldschein selbst zu entwerten, sondern wertebildende Mechanismen zu untersuchen. Während der Ziegelbau Ausdruck für tragendes Mauerwerk ist, bleibt die abgebildete Architektur rein fiktiv, um identitätsstiftend für ein vereintes Europa zu stehen. So behält auch der Geldschein – trotz des Lochs – seinen Wert, wie auch der Künstler dem Schein durch seinen Akt keinen höheren Wert beimisst. Nur die Rahmung und die institutionelle Zuweisung in der Ausstellung schreibt dem Werk eine dem Kunstsystem und –markt adäquate Aufwertung ein. In diesem Sinne halten die Arbeiten von Matthias Krinzinger an Werten fest, wie sie im Stande sind, diese ad absurdum zu führen.

Karin Pernegger
Leiterin Kunstraum Innsbruck