Kunstpreis 2004

01. Jänner 2004 bis 31. Dezember 2004

Ausstellung:
Wolfgang Capellari, Hannes Dabernig, Werner Feiersinger, Robert Fleischanderl, Sieglind Gabriel, Christoph Hinterhuber, Barbara Huber, Annja Krautgasser, Barbara Larcher, Manuela Mark, Peter Niedertscheider, Christoph Raitmayr, Richard Schipflinger, Annette Sonnewend, Günther Steiner

  • Der Konzern, 2002 Computergrafiken, Auswahl
  • Der Konzern, 2002 Computergrafiken, Auswahl
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Günther Steiner

Der Konzern. Zur Arbeit von Günther Steiner

"Meine technischen Zeichnungen stellen für mich einen großen Konzern dar. Mit diesem kann ich meine Umwelt besser verarbeiten." Das Stammwerk von Günther Steiners Konzern sitzt in Lienz in Osttirol. Von oben sieht es zunächst aus wie das Innenleben eines Computers, mit Platinen, Chips, Transistoren und anderen Rechner-Ingredienzien, doch wenn man genauer hinsieht und die Legende seines Planes studiert, werden aus den Leitplatten Gebäude mit verschiedensten Funktionen und aus den Zwischenräumen Verkehrswege, auf denen sich Tieflader, Baumaschinen, Container-Schlepper und LKW-Züge geregelt bewegen.

Der Konzern versammelt auf rechtwinkeligem Grundriss diverse Produktions- und Lagerstätten, dazu aber auch soziale und kommunikative Einrichtungen und Dienstleistungsbetriebe, wie sie in kommunalen Verwaltungen zu finden sind. Was produziert der Konzern? Von Erfindungen und technischen Plänen über Maschinen, Fernwärme und Kühlgeräte praktisch alles, was zur Energieversorgung, für das Transportwesen und vor allem auch im medizinisch-stationären und mobilen Einsatzbereich nützlich ist.

Neben Meerwasserentsalzungsanlagen mit Biogas oder Wasserstofftriebwerken konstruiert der Günther-Steiner-Konzern zum Beispiel große brennstoffzellenbetriebene Rettungsträgerschiffe, mobile Druckkammern für die Kompressionsmedizin oder Transportflugzeuge für die internationale Katastrophen-Hilfe.


Erhöhung von Lebensqualität und Erkenntnisgewinn sind offenbar das gemeinsame Ziel der einzelnen Betriebe. Moderne Technologie und globale Zusammenarbeit bewähren sich vor allem in extremen Situationen, wenn Naturgewalten und Katastrophen menschliches Leben bedrohen. Sie sind aber auch die Mittel des Künstlers, die Grenzen seines eigenen Lebensraumes zu überschreiten.


Dieser befindet sich vor allem in der Kunstwerkstatt Lienz, die auch identisch ist mit dem Stammwerk des Konzerns. Ein kleines Laboratorium im Kopf Günther Steiners, gestützt auf einen Computer mit Grafikprogramm. Die Kunstwerkstatt Lienz ist eine Ateliergemeinschaft der Lebenshilfe Tirol, in welcher seit 1983 14 behinderte Künstler in geringfügig wechselnder Zusammensetzung einzeln oder zusammen arbeiten.

So entsteht dort Kunst, es werden Ausstellungen organisiert und Publikationen erarbeitet. Als Gruppe war die Kunstwerkstatt Lienz auf der documenta X vertreten, Einzelausstellungen finden sowohl in der hauseigenen Galerie als auch an anderen Orten statt. Günther Steiners Fabrik wurde z.B. 2002 in der Max-Gandolf-Bibliothek der Salzburger Universität gezeigt.

Bewegung und Hilfe standen von Anfang an im Mittelpunkt von Günther Steiners künstlerischer Arbeit. In ihr verbinden sich die Möglichkeiten, von A nach B zu gelangen, aber auch der zielgerichtete Einsatz der Körperbewegung mit humanitären Zwecken. Seit seiner Kindheit bewegungsgestört, bediente sich Steiner zur Anfertigung von Bildern bereits im Alter von neun Jahren technischer Geräte wie der elektrischen Schreibmaschine und später des Computers. Er bezeichnet sich selbst daher auch als "technischer Künstler", der immer neue Objekte und Maschinen in Form von Projekten entwirft.

Sind nun seine Erfindungen wie z.B. ein "Bildsprachegerät für Leute, die alles verstehen, aber stumm sind und nicht schreiben gelernt haben", auch realisierbar? Sie sind auf alle Fälle präzise durchgezeichnete Vorschläge zur Optimierung vieler bestehender Werkzeuge in den unterschiedlichsten Formaten. Die Darstellungen all seiner "Konzern-Produkte, Dienstleistungen und Forschungen" bestechen durch eine streng schematische Bildsprache, deren konstruktiv-mechanistischer Charakter durch intensive Farbgebung und eine sich bisweilen zum Ornament verdichtende Detailfülle gebrochen wird.

Es ist zum einen eine streng technologisch-funktionalistische Welt, mit der Steiner zu einer humaneren Gesellschaft Beiträge leisten möchte, und zum anderen eine Welt der phantastischen Ideen und des Spielzeughaften, in die er uns führt. Bewusst oder unbewusst zeigt uns Günther Steiner mit seinem Konzern, dass wir trotz aller unserer Skepsis gegenüber der Technologie als Glücksbringerin für eine humanere Gesellschaft voll und ganz von Technologie umgeben sind, vom Kinderzimmer bis zum Arbeitsplatz.

Es bleibt jedem Einzelnen von uns überlassen, Steiners Konstrukte im Sinne einer Fortschritt verheißenden Realutopie oder einer Schreckensvision zu betrachten – oder irgendwo dazwischen uns ganz einfach zu fragen, welchen Platz wir selbst im Konzern einnehmen.


Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle Wien