Kunstpreis 2004

01. Jänner 2004 bis 31. Dezember 2004

Ausstellung:
Wolfgang Capellari, Hannes Dabernig, Werner Feiersinger, Robert Fleischanderl, Sieglind Gabriel, Christoph Hinterhuber, Barbara Huber, Annja Krautgasser, Barbara Larcher, Manuela Mark, Peter Niedertscheider, Christoph Raitmayr, Richard Schipflinger, Annette Sonnewend, Günther Steiner

  • tlön, 2003 Videostills
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Manuela Mark

Den Videoarbeiten von
Manuela Mark NACHGEHEN

"Eine geradlinige Spur führt zurück zu den grundlegendsten Zügen einer gegebenen Sprache. Der definierte "Ort" ist nur ein Zwischenraum (Übergang) - zwar noch immer semiotisch, aber an der Demarkationslinie endet die Linearität der Logik, um einem Wissen Platz zu machen, das nicht mehr (oder noch nicht) auf Sprache beruht.
Fragmentarisch durchsetzt von Realität und hoffnungslos unterdeterminiert, dient der gegebene Raum einer narrativen Erkundigung, ohne selbst eine Geschichte zu erzählen. Der Körper bewegt sich zugunsten der E-Motion. (...)"
So beschreibt Manuela Mark selbst anl ässlich einer Ausstellung im Kunstpavillon (1) ihre dort gezeigten Arbeiten. Dieses Statement der Künstlerin scheint allgemein gültig für ihr Werk und ist auch als Basisintention der beiden Videos "kopfüber" und "Tlön", für die sie mit dem RLB-Kunstpreis 2004 ausgezeichnet wird, zu verstehen.

Sorgfältig choreographiert lotet Manuela Mark als Protagonistin ihrer Geschichten ohne Handlung Räume und Spielräume aus. In "kopfüber", 2002, DVD, erkundet eine Person, von der man nur die Füße, die Hände, den Kopf – also Fragmente sieht, ein Haus vom Keller bis zum 3. Stock, das sie womöglich vom Boden aus betrachtet gut kennt, von der Decke aus. Im Keller ist ihr die Situation noch nicht vertraut. Mühsam schlurfend kommt sie voran. Vergleichbar mit Gregor Samsa aus Kafkas "Verwandlung", der - sobald er seine neue Körperlichkeit in den Griff bekommt – motorische Virtuosität entwickelt und problemlos die Wände hoch und an der Decke entlang gehen kann, findet die Person im Erklimmen der Stockwerke in einen fließenden Bewegungsablauf. "Körper und Raum bilden schlussendlich freie Variablen, die sich durch ihre Beziehung zueinander ununterbrochen neu definieren.", steht im Kurztext zu dieser Videoarbeit als Conclusio.

"Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass die klassische Kultur von Tlön eine einzige Disziplin umfasst: die Psychologie. Die anderen sind ihr untergeordnet. Ich habe gesagt, dass die Menschen dieses Planeten die Welt als eine Folge geistiger Vorgänge auffassen, die sich nicht im Raum, sondern nacheinander in der Zeit abspielen. (...) Die Geometrie umfasst in Tlön zwei voneinander abweichende Disziplinen: die Seh- und die Tastgeometrie. Die letztere entspricht der uns geläufigen, wird aber der ersten untergeordnet. (...) In Tlön verdoppeln sich die Dinge; sie neigen ebenfalls dazu, undeutlich zu werden und die Einzelheiten einzubüßen, wenn die Leute sie vergessen. (...) Tlön mag ein Labyrinth sein, doch ist es ein von Menschen entworfenes Labyrinth, ein Labyrinth, dessen Entzifferung der Menschheit aufgegeben ist." (2) Manuela Marks "Tlön", 2003, DVD, ist ein Regal, das zum Kosmos wird. Im engen schwarzen Cat-Suit mit Kapuze versucht eine Person das Regal/den Kosmos zu erfahren und zu begreifen. Fast tänzerisch anmutend schmiegt sie sich an die Seitenwände und passt sich in die Module ein. Die Darstellung psychischer Befindlichkeit und die Selbstbetrachtung im gespiegelten Ich, die Verortung im (Regal-)System, das Ausloten von Seh- und Tastgeometrie und somit auch das Ausloten der Beziehung von Darstellerin, ihrer Spiegelung/Verdoppelung und den Betrachterinnen und Betrachtern sind Inhalt des Videos. Die Zeichen dieser Arbeit zu dechiffrieren gelingt vielleicht am besten auf einer vorsprachlichen Ebene: nonverbal, emotional.

Ingeborg Erhart, Geschäftsleiterin der Tiroler Künstlerschaft

(1) IN(N)‘sTALL’AcTION, von Studierenden der Universität für angewandte Kunst, Bereich medienübergreifende Kunst bei Prof. Brigitte Kowanz, Kunstpavillon, Innsbruck, 13.12.2003 – 24.1.2004
(2) http://www.khm.de/~flw/borges.html, aus: Jorge Luis Borges "Die Bibliothek von Babel", Reclam, Stuttgart 1974. Eines der Lieblingsstilmittel des argentinischen Schriftstellers, Bibliothekars und Übersetzers Jorge Luis Borges' ist die Täuschung, das Spielen mit dem Leser, die Vermischung von Realität und Surrealität. In der Erzählung "Tlön, Uqbar, Orbis Tertius", 1944, vermengen sich verschiedene Realitätsebenen und es werden einerseits real existierende Personen genannt und zitiert, andererseits spielen aber auch nicht wirkliche Elemente eine große Rolle. So sei beispielsweise die Literatur des Landes Uqbar, dessen Existenz sich auf keinem Atlas und in keiner historischen Abhandlung bestätigen lässt, phantastischer Art und die Epen und Legenden bezögen sich nie auf die Wirklichkeit, sondern auf die beiden Phantasiereiche Mlejnas und Tlön.