Kunstpreis 2008

01. Jänner 2008 bis 31. Dezember 2008

Ausstellung:
Ursula Groser, Florian Hafele, Christoph Hinterhuber, Ina Hsu, Daniel Nikolaus Kocher, Andrea Lüth, Ursula Mairamhof, Peter Niedertscheider, David Rych, Lukas Schaller, Annette Sonnewend, Herwig Weiser

  • Hey ho let's go, 2007 Animationsfilm, 0:40
  • Hey ho let's go, 2007 Animationsfilm, 0:40
  • Hey ho let's go, 2007 Animationsfilm, 0:40

Andrea Lüth

Die 1981 geborene Künstlerin, die in ihrer Geburtsstadt Innsbruck und in Wien lebt und arbeitet, ist eine manische Zeichnerin. Nach einem kurzen Studium der Politikwissenschaft in Innsbruck schreibt sie sich an der Kunstuniversität Linz ein, mit dem Schwerpunkt Malerei und Grafik, wobei der Umgang mit druckgrafischen Techniken bis heute ihre Arbeiten bestimmt, verlangt doch der gravierte Strich einer Radierung ebenso wie die bewegte Linie eines Zeichentrickfilms, die diesen Strich in eine Bewegungsabfolge bringt, nach derselben Sicherheit des Setzens.

In ihren Trickfilmen, die von der einfachen „Kamerafahrt“, etwa entlang einer Stromleitung, bis zur gezeichneten Paraphrase eines Video-Music-Clips reichen, erzielt sie ihre suggestive Wirkung mit einfachsten Mitteln, mit Bleistift-, Aquarell- oder Filzstiftlinien auf Papier, auch einmal auf kariertem Untergrund, der das Skizzenhafte und Ephemere ihrer Arbeit unterstreicht. Die wesentlichen Anregungen findet sie im privaten Umfeld, im Ambiente der Linzer Kunstuni, ihren Künstlerkollegen und der Musikszene. In eigenen Worten: „Auf der Suche nach dem Wesentlichen (subjektiv) stolpere ich ziellos und unentschlossen durch Bilderwelten, greife mir zur Orientierung gezielt einzelne Details heraus und konzentriere mich dann auf diese.“ Dabei werden „alltagskulturelle Beobachtungen“ sowie die Auseinandersetzung mit bildender Kunst und Musik zum Fundus ihrer Arbeit.

Andrea Lüths Zeichnungen werden verstrickt mit Textfragmenten, und die Textbilder werden ihrerseits zu Zeichnungen. Die einfach umrissenen Hauptdarsteller ihres Comic-Theaters entstammen einer Medienwelt, wie etwa „Wilfried“, „Klaus Albrecht“ und „Agnes“, die nach ihren Kunst-Geschichten karikierten Museumsleiter, oder „Maria“, skizziert nach dem einprägsamen Foto der den Betrachter fixierenden Maria Altmann, die auf das restituierte Klimt-Gemälde der unverkennbaren „Gold-Adele“ zeigt. Die Mehrzahl der „Motive“ scheint einer medial vermittelten Bilderwelt zu entstammen, die auch die Sprechblase als Medium einsetzt und das darin enthaltene – wortwörtliche – „blablabla“ ebenso zum nervös bewegten Linienbündel verabsolutiert wie die Figuren. „No news is good news“ hieß schon der Titel ihrer Diplomarbeit, der das sarkastische Diktum aus der angelsächsischen Medienwelt ironisierend aufnimmt.

In ihren Filmen, zumeist sehr kurzen Essays, insistiert sie mit den animierten Zeichnungen gleichsam auf den „Objekten“ in Bewegung und Transformation, ob dies nun die flatternden Vorhänge einer fiktiven Öffnung seien, die den Blick auf merkwürdig sich verändernde „Gewächse“ in der Landschaft freigibt, die nach unten „hängenden“ und sich überkreuzenden blauen Linien, welche sich durch die Unterbrechung mit grünen Vertikalen erst als „Leitungen“ lesen lassen – so wie man sie etwa aus einem langsam fahrenden Zug erkennen kann – , die bloß einen kurzen Moment vor unsern Augen erzitternden und sich innerhalb von 40 Sekunden in Schraffuren und schließlich einen davonschwimmenden Fisch auflösenden vier Mitglieder der frühen Punk-Rock-Band „The Ramones“, oder die drei einfach umrissenen Köpfe in einem ihrer jüngsten Animationsfilme, „Powerpainters Lullaby“, die nur ihre Münder und – ab und zu – ihre Augen bewegen. Die Illusion der zum monotonen Gesang synchronen Lippenbewegungen der wie im „Zoom“ wiedergegebenen Gesichter entsteht durch klar sichtbare „Korrekturen“, durch weiße Übermalungen der jeweils vorangehenden kruden Lineamente.

In diesem als „Musikvideo“ bezeichneten Streifen von 2007, der sich an der Ästhetik gängiger Video-clips orientiert, porträtiert Andrea Lüth drei berühmte Rennfahrer der Formel-1-Szene, Ayrton Senna, Alain Prost und Nigel Mansell, denen sie die Stimmen von drei Künstlerkollegen unterlegt, die unter dem Signum „Krafftmalerei“ zusammen ausgestellt haben. Die durch monochrome, bildfüllende Farbflächen rhythmisierten Gesangsfragmente formieren sich zum Wiegenlied der Krafftmalerei, zu einem abgeklärt melancholischen und gleichzeitig höchst vergnüglichen „Lullaby“ der drei „Powerpainter“. Nach 5 Minuten und 13 Sekunden ist der coole Spaß vorbei.

Toni Stooss
Direktor Museum der Moderne, Salzburg